AIMEC Kick-Off-Treffen
Mehr als 30 Forschende aus verschiedenen Forschungseinrichtungen in ganz Europa, die auf dem Gebiet der Migrations-, Integrations- und Stadtforschung arbeiten, kamen am 26. Mai 2021 zur AIMEC-Auftaktveranstaltung zusammen. Die Erkenntnisse, die diese Wissenschaftler*innen über die konzeptionelle Ausgestaltung des AIMEC-Projekts mit uns teilten, haben uns als Team inspiriert. Ein herzliches Dankeschön an alle, die dabei waren!
Das AIMEC-Projekt untersucht die Interaktionen und den Transfer von Wissen und Ressourcen zwischen alteingesessenen und neu hinzugezogenen Migrant*innen durch Ankunftsinfrastrukturen. Ankunftsinfrastrukturen sind „die Teile des städtischen Gefüges, in die Neuzugezogene bei ihrer Ankunft verstrickt werden und in denen ihre künftigen lokalen oder translokalen sozialen Mobilitäten entstehen“.
(Meeus, et al. 2019:1) Es handelt sich also um Konzentrationen von Institutionen, Organisationen, sozialen Räumen und Akteur*innen, die das Ankommen besonders erleichtern. Wir interessieren uns dafür, wie Ankunftsinfrastrukturen die Ankunft und soziale Mobilität erleichtern und welche Ressourcen alteingesessene Migrant*innen für Neuzugezogene bereitstellen. Wir versuchen zu verstehen, welche Rolle die unterschiedlichen nationalen Wohlfahrts- und Integrationsregelungen bei der Gestaltung von Ankunftsinfrastrukturen auf lokaler Ebene spielen, und untersuchen neue Formen der Inklusion oder Exklusion, die in solchen Kontexten entstehen können.
Bei der Auftaktveranstaltung wurden nicht nur das Projekt erläutert und die drei Forschungsstandorte vorgestellt, sondern auch die folgenden Fragen erörtert:
Welche Rolle spielt Ihrer Erfahrung nach die bauliche Umwelt für den Zugang von Neuzugezogenen zu Informationen und Ressourcen?
Glauben Sie, dass der Ansatz der Ankunftsinfrastrukturen nützlich ist, um die Integration von Migrant*innen zu untersuchen?
Welche politischen Auswirkungen könnte unser Projekt Ihrer Meinung nach haben?
Wir sind uns bewusst, dass die Ankunft von Migrant*innen keine homogene Erfahrung ist, und deshalb möchten wir diese kritische Diskussion führen, um unsere Annahmen zu hinterfragen und unseren theoretischen und methodischen Ansatz zu schärfen.
Zentrale Überlegungen
Die lebhaften Diskussionen und herausfordernden Kommentare unserer Gäste stellten unseren Forschungsansatz in Frage, bestätigten ihn aber auch. Wir waren uns einig, dass die infrastrukturelle Brille die Möglichkeit bietet, die vielfältigen Richtungen, Zeitlichkeiten und Subjektivitäten von Ankunfts- und Integrationsprozessen zu erfassen. Wir wurden jedoch auch wieder daran erinnert, dass dies sowohl eine Diskussion über die Handlungsfähigkeit von Migrant*innen und ihre sozialen Netzwerke, als auch die Strukturen, die sich auf Handlungsfähigkeit und Mobilität auswirken, beinhalten muss. Dafür müssen nicht nur institutionalisierte Top-down-Strukturen , sondern auch Bottom-up-Initiativen, informelle Gelegenheitsstrukturen sowie „gewöhnliche“ öffentliche und private Räume in die Forschung einbezogen werden.
Der Blickwinkel der Ankunftsinfrastruktur ist dabei besonders nützlich, weil er Initiativen und Unterstützung an spezifischen Orten hervorhebt, anstatt einzelne Migrant*innen und ihre Integrationsverläufe zu betrachten. Mit diesem Ansatz können wir sowohl digitale als auch greifbare Unterstützungsstrukturen erfassen. Dazu gehört auch soziale Organisierung, die vielleicht nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist, aber durch einen physischen Raum wie eine Kirche ermöglicht wird. Ankunftsinfrastrukturen sind so ephemer und zugleich feststehend und im ständigen Wandel begriffen.
In unseren Gesprächen wurde auch die wichtige Rolle der „neuen“ Ankunftsorte, wie beispielsweise Lager und Unterbringungen sowie periphere Wohngebiete, hervorgehoben. Das AIMEC-Projekt konzentriert sich auf die ‘klassichen’ Ankunftsviertel und will verstehen, welche Rolle diese traditionelleren Ankunftsgebiete weiterhin spielen und vor allem, wie alteingesessene Migrant*innen, die dort leben oder arbeiten, den Prozess des Ankommens und Vorankommens von Zuwandernden erleichtern. Aus unseren früheren Untersuchungen wissen wir, dass es selten die Migrant*innen mit hohem wirtschaftlichem und sozialem Kapital sind, die Unterstützung benötigen, sondern diejenigen mit begrenztem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kapital, manchmal gepaart mit begrenzter digitaler Kompetenz, die am meisten Unterstützung benötigen und Schwierigkeiten haben, diese über offizielle Kanäle zu erhalten.
In unseren Diskussionen wurde auch deutlich, dass wir durch die Betrachtung der Ankunftsphase von Migrant*innen mithilfe des Infrastrukturansatzes erfassen können, was vor der ‘Integration’ geschieht, indem wir die ersten Ankunftsmomente und dringenden Bedürfnisse betrachten. Auf diese Weise hoffen wir, eine Kategorisierung der verschiedenen Arten von Ankunftsinfrastrukturen zu entwickeln, um festzustellen, welche zu welchem Zeitpunkt des Ankunftsweges einer Person von entscheidender Bedeutung sind, und um verschiedene Bedarfsphasen von Migrant*innen nach ihrer Ankunft zu ermitteln.